Reinhard Klockow |
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Zum europäischen Türken- und Islambild
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Arbeitsgebiete |
Meine wichtigste Arbeit auf diesem Gebiet ist die Edition und Übersetzung des Türkentraktats des Georgius de Hungaria aus dem Ende des 15. Jahrhunderts: Georgius de Hungaria. - Traktat über die Sitten, die Lebensverhältnisse und die Arglist der Türken. Nach der Erstausgabe von 1481 herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Reinhard Klockow. 420 Seiten. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1993, 2.Aufl. 1994 (=Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens 15). Reprint und e-book 2015.
Diese Edition, von der
nach kurzer Zeit eine zweite Auflage nötig wurde und die 2015 erneut
nachgedruckt wurde (dazu unten mehr), hat in zahlreichen Rezensionen eine
außerordentlich positive Aufnahme gefunden und ist inzwischen zu einem
vielzitierten Standardwerk geworden. Nicht nur die Fachwelt nahm von der
Neuerscheinung Notiz, sondern auch einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie
durch Besprechungen und Interviews im Radio, in der Tagespresse und sogar im
türkischen Fernsehen bekannt gemacht. Einige Auszüge aus den
fachwissenschaftlichen Rezensionen: - Ein "Schlüsseltext
der europäischen Identitätsgeschichte" ... "ein signifikantes
Beispiel der kulturbeschreibenden Sachliteratur" ... "Die Edition
ist philologisch aufs sorgfältigste gearbeitet" ... " eine gut
lesbare und vorlagengetreue deutsche Parallelübersetzung". (Wolfgang
Neuber, Germanistik 35 (1994), 857f. Nur durch Zufall stieß
ich Anfang 2018 im Internet auf einen (sehr teuren) Neudruck des lange
vergriffenen und antiquarisch zu hohen Preisen gehandelten Buches. Auf
Nachfrage bei Böhlau-Verlag ergab sich, dass es sich nicht um einen
Raubdruck, sondern um einen offiziellen Nachdruck (mit neuer ISBN und neuem
Cover) handelt, über den man mich, den Autor, nicht einmal informiert,
geschweige denn konsultiert hatte. Ein Brief vom 22. November 2018 an den
Programmleiter Jörn Laakmann blieb ohne Antwort –
ein bedauerliches Symptom für den Niedergang der Verlagskultur in diesem
Hause. Deshalb sei mein Brief hier eingefügt: Sehr geehrter Herr Dr. Laakmann, im Februar dieses Jahres habe ich mich in einem Brief an Sie gewandt, nachdem ich per Zufall im Internet entdeckt hatte, dass der 1993 von mir im Böhlau-Verleg edierte Tractatus de moribus ... Turcorum des Georgius de Hungaria neu erschienen ist. Ich hatte mich seinerzeit darüber gewundert, dass ich als Autor nicht einmal informiert worden war. Etwa gleichzeitig gab es einen Mail-Wechsel mit Frau Buchberger und Frau Gness, der damit endete, dass ich noch um etwas Geduld gebeten wurde (Mail von Frau Gness am 29.3.: Danke für Ihre Geduld ich werde sobald wie möglich mit einer Antwort auf Sie zu kommen). Diese Antwort steht nach mehr als einem halben Jahr immer noch aus. Natürlich freue ich mich, dass mein Buch, das zu einem vielzitierten Standardwerk geworden ist – man braucht nur bei Google Klockow Georgius oder Klockow Tractatus einzugeben, um sich davon zu überzeugen – wieder auf dem Markt verfügbar ist. Was mich nicht freuen kann, ist der Umgang des Verlags mit dem Autor. Finanzielle Ansprüche habe ich, obwohl ich der Ausgangspunkt der Verwertungskette bin, vermutlich nicht – ich habe seinerzeit sogar die beiden Farbabbildungen selbst bezahlt. Aber ein Anspruch auf Information und Konsultation dürfte bei einem Verlag, der auf sich hält, doch nicht zu viel verlangt sein. Konkret: - Ich hätte über die Neudruck- und e-book-Pläne informiert werden müssen. - Man hätte mich fragen sollen, ob der Text unverändert nachgedruckt werden kann oder ob evtl. Korrekturbedarf besteht (ich hätte z.B. gern einen Übersetzungsfehler verbessert, auf den eine Rezension aufmerksam gemacht hat). - Da das Buch in über zwanzig Jahren die Forschung beeinflusst und eine gewisse Wirkungsgeschichte entfaltet hat, wäre es sinnvoll gewesen, in einem Nachwort zur Neuauflage diese Entwicklung darzustellen. - Und wenn im Verlag niemand auf solche verlegerisch sinnvollen Ideen gekommen ist: man hätte mir zumindest ein Belegexemplar des Neudrucks überlassen können. So weit meine Anmerkungen zum Umgang mit Autoren. Ich werde diesen Brief auch als Mail an Frau Buchberger und Frau Gness schicken. Mit freundlichen Grüßen R.K. Auf jenen Übersetzungsfehler hatte mich L. Mundt in seiner Rezension aufmerksam gemacht. Im Prologus heißt es im Zusammenhang mit der Gefangennahme des Autors, der sich mit anderen in einem Turm verschanzt hatte (S.154f. der Edition): Et quia turris multum decliuis erat (...). Ich habe übersetzt: Weil der Turm auf stark abschüssigem Gelände stand. Es muss aber wohl heißen: Weil der Turm sehr spitz war; denn das Gelände ringsum ist eben, wie Fotos vom sog. Studententurm im Internet bezeugen (http://www.burgenwelt.org/rumaenien/sebes_sm/object.php). Im Zusammenhang mit der Arbeit an diesem Buch sind einige vorbereitende oder zusammenfassende Aufsätze entstanden: - Die Erstausgabe des "Tractatus de moribus, condicionibus et nequitia Turcorum" des Georg von Ungarn. Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe, in: Südost-Forschungen 46 (1987) 57-78. - Theologie contra Erfahrung. Die Argumentationsstruktur des "Tractatus de moribus, condicionibus et nequitia Turcorum", in: Zeitschrift für Balkanologie 25 (1989) 60-75. - Georg von Ungarn und die verführerische Vorbildlichkeit der Türken, in: Sievernich, Gereon und Hendrik Budde (Hg.), Europa und der Orient 800 - 1900, LeseBuch, Berlin (Berliner Festspiele) 1989, 43-46. - Text-Recycling
im lateinischen Mittelalter. Die Schrift
"De captiuis christianis"
von 1498, in: Barbe, Jean-Paul und Gunter Volz
(Hg.), Mélanges offerts à J.Grange, Nantes
(Publications de l'Université de Nantes) 1989, 177-187. (Zeigt, dass diese Schrift weitgehend aus Zitaten aus dem "Tractatus" und Giovanni Nanni zusammenmontiert ist) - Beutezüge
im Zeichen des Kreuzes. Der venezianisch-päpstliche Überfall auf Smyrna im
Herbst 1472, in: Ja muz ich sunder
riuwe sin. Festschrift für Karl Stackmann zum 15.
Februar 1990, Göttingen (Vandenhoeck &
Ruprecht) 1990, 36-50. (Behandelt,
im Zusammenhang mit der Biographie des Georgius de Hungaria, den lateinischen
Kriegsbericht des Coriolanus Cippico
(Cepio) aus dem Jahre 1477. Text eines Vortrags in
Izmir, der dort gut ankam, den ich aber besser nicht in dieser Form
veröffentlicht hätte.) Und
schließlich noch ein ganz neuer Fund, das erste authentische Testimonium zur
Biographie des Georgius: - Georgius de Hungaria alias Georgius Alemanus. Neues
zur Biographie des Verfassers des Tractatus
de moribus, condictionibus
et nequicia Turcorum
anlässlich seines 500. Todestages am 3. Juli 2002, in: Südost-Forschungen
61/62 (2002/2003) 77-81. Im Liber notarum des Johannes Burckardus, des "Zeremonienmeisters" von Papst
Alexander VI., findet sich eine Notiz über die aufsehenerregenden Umstände
beim Tod eines römischen Dominikanerbruders namens Georgius Alemanus. Aus den beigegebenen Informationen ergibt sich,
dass dieser Georgius niemand anderes sein kann als Georgius de Hungaria, der
Verfasser der Tractatus. Das Attribut Alemanus
deutet auf seine deutsche Nationalität, was die Siebenbürger Sachsen, die das
immer behauptet haben, ohne es wirklich beweisen zu können, sehr freuen
dürfte. Eine zweite Edition aus
dem Gebiet der Latino-Turcica - ebenfalls ein
Gefangenenbericht, diesmal auf dem 16. Jahrhundert - trägt einen ganz anderen
Charakter. Autor ist der Kroate Bartholomaeus Georgievic oder Georgievits (Bartol
Djurdjevic oder Ðurđević
- die Schreibungen des Namens sind sehr unterschiedlich), der seine
Erlebnisse in zahlreichen, im 16. Jh. weit verbreiteten Schriften über
die Türken verarbeitete. Merkwürdigerweise überging er bei den Neuausgaben
seinen autobiographischen Bericht von 1544, der jetzt zum ersten Mal wieder
gedruckt wird: Bartholomaeus Georgievic:
De captivitate sua apud Turcas; Gefangen bei den
Türken; Türkiye'de esir iken.
Hrsg. von Reinhard Klockow und Monika Ebertowski,
168 S. Berlin: Gesellschaft für interregionalen Kulturaustausch /
Druckwerkstatt im Kreuzberg-Museum 2000. Hier
handelt es sich um eine bibliophile Kostbarkeit: Das Buch wurde im Handsatz
in der Kreuzberger
Museums-Druckerei gesetzt und mit handkolorierten Originalgraphiken von
Hanefi Yeter illustriert. Es bietet den Text in drei Sprachen: in der
originalen lateinischen Fassung sowie in deutscher und türkischer
Übersetzung. Dabei wird eine raffinierte doppelte Paralleldrucktechnik
verwendet: Man kann das Buch von vorn und von hinten lesen; auf der einen
Seite öffnet sich die lateinisch-deutsche Version, und wenn man das Buch
umdreht, hat man die lateinisch-türkische Fassung. Beide Versionen treffen
sich in der Mitte bei einer doppelseitigen Graphik von Hanefi Yeter, die ebenfalls
von beiden Seiten betrachtet werden kann. Hans-Gert
Roloff nannte das Buch "ein Muster für die mögliche Kombination von
wissenschaftlich einwandfreier Edition mit modernen, leserbezogenen
Accessoires" und wünschte es "in viele Hände" (Daphnis 30 (2001) 371). Einzelheiten zu Buch und Illustrationen
finden Sie hier. Auch zu dieser Edition
gibt es einen vorbereitenden Aufsatz: Bartholomäus
Georgievic oder die Verwandlung von Leben in
Literatur, in: Daphnis, Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, 26
(1997) 1-32. Darin
versuche ich zu klären, warum Georgievic diese Schrift
bei seinen späteren Publikationen überging: sie passte mit ihrem durchweg
positiven Türkenbild nicht zu der gängigen Anti-Türkenpropaganda, der er
später das Wort redete. ("Grundlegend" nannte Th.
Kaufmann 2006 diesen Aufsatz.) Schließlich
noch der Hinweis auf einen Lexikonartikel über einen kroatischen Autor des
16. Jhs., ebenfalls in Zusammenhang mit den Latino-Turcica entstanden: Andronicus, Tranquillus, in: Die Deutsche Literatur,
Biographisches und bibliographisches Lexikon, Reihe II, Band 3, Stuttgart: Frommann-Holzboog 2001, 121-131. |
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